Gerhard Schröder hat Deutschland zukunftstauglich gemacht
Gerhard Schröder ist einer der bedeutendsten Kanzler Deutschlands. Er steht in einer Reihe mit Helmut Schmidt, Willy Brandt, Konrad Adenauer und Helmut Kohl. Jeder von ihnen hat in seiner Zeit mit ihren jeweiligen Herausforderungen schwierige Aufgaben für Deutschland gehabt. Gerhard Schröder hat für Deutschlands Zukunft mutig zwei wichtige Weichen gestellt: Er hat das Wirtschafts- und Sozialsystem reformiert, stabilisiert und er hat Deutschlands Souveränität international bekräftigt.
Wir sind uns zuerst begegnet, als ich Ministerpräsident in Brandenburg war und mich bemühte, unser Land aus drei sehr unterschiedlichen Bezirken zusammenzubringen, Demokratie und Rechtsstaat einzuführen, die Umgestaltung von der Staatsplanwirtschaft zur Marktwirtschaft zu steuern, Industriekerne zu erhalten, Investoren zu werben und einen leistungsfähigen Mittelstand zu fördern. In diesen Jahren blickte ich nicht ohne Neid auf meine Kollegen aus der alten Bundesrepublik. Den Ministerpräsidenten Schröder aus Niedersachsen habe ich bewundert. Er wirkte auf mich wie ein Sonnenkönig, ein lebensfroher, großzügiger und zupackender Landesfürst, dem wir Ossis wohl gelegentlich auf die Nerven fielen und geradezu lästig wirkten, zum Beispiel, wenn er die durch die Wiedervereinigung schrumpfende Zonenrandförderung sah. Irgendwie waren wir Störer, die von einem fremden Stern kamen und statt glücklich zu sein auch noch jammerten. Das habe ich mir damals abgewöhnt, weshalb Brandenburg immer am wenigsten von der noch CDU- geführten Bundesregierung bekam. Dann trat Gerhard Schröder zur Wahl als Bundeskanzler für ganz Deutschland an und die ostdeutschen Länder kamen ihm sehr nahe. Dabei half auch eine Nachdenk- und Vorbereitungswoche im äußersten Osten Deutschlands in einem Spreewald-Hotel. Ich war dann dabei, als Schröder viele Begegnungen mit den Menschen unter anderem in Rostock, Dresden, Erfurt, Magdeburg und Potsdam hatte. Er war ein überzeugender Wahlkämpfer mit großem Stehvermögen und schnellem Aufgreifen der Fragen und Hinweise der Bevölkerung. Gerhard Schröder lernte den Osten kennen. In der Prignitz an der Elbe bei den Bauern, die ihm die Gans Doretta schenkten, fühlte er sich zu Hause. Das war Heimat für ihn, das war derselbe Menschenschlag, den er aus Niedersachsen, vom westlichen Elbufer kannte. Gerhard Schröder wurde einer von uns im Osten, und die Bundestagswahl wurde für ihn im Osten gewonnen.
Dann musste Gerhard Schröder in das Kanzleramt hineinfinden. Eine Lawine neuer Aufgaben und Probleme, zahlreiche internationale Verpflichtungen stürzten auf ihn ein. In den ersten Tagen wirkte er wie betäubt, wie ein Blinder. Ich glaube, Doris und einige alte Freunde mussten ihm Mut zusprechen. Doch dann erlebte ich von Monat zu Monat einen sicher werdenden Kanzler Schröder mit der Gabe, den richtigen Entscheidungspunkt zu erkennen und entschlossen zu handeln. „Zupacken, nicht Abwarten“ war seine Devise. Einige Jahre saß ich mit an seinem Kabinetttisch und erlebte, wie Gerhard Schröder seine Verantwortung für Deutschland erkannte und es ihm mehr und mehr um das Wohl des Landes und seiner Menschen ging. Nicht Parteidoktrin, Wahlergebnisse oder Ruhmsucht trieben ihn an, sondern das Verantwortungsbewusstsein für Deutschland.
Kanzler Gerhard Schröder erkannte die Schwächen des deutschen Wirtschafts- und Sozialsystems und sah, dass ein „Weiter so“ vielleicht seine Popularität stärken, aber dem Land schaden würde. Er nannte offen die Reformbedürftigkeit der Bundesrepublik, zeigte die tief greifenden strukturellen Probleme auf und warb für einschneidende Lösungen, unpopuläre Maßnahmen und setzte sie durch. Gerhard Schröder rechnete damit, dass die schmerzlichen Eingriffe in das Sozialsystem ihm Sympathien kosten und die nächste Wahl verloren gehen könnte. „Die Reformen müssen sein, auch wenn ich darüber mein Amt verlieren sollte“, sagte er uns im kleinsten Kreise. Die Reformen waren keine Absage an den Sozialstaat. Denn für den Sozialstaat und die Solidarität steht Schröder unerschütterlich. Gerade deshalb wollte er ihn mit den Reformen sichern. Dazu gehörten die Wiederbelebung der Wirtschaft und eine Neujustierung in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Schröder setzte mit Standhaftigkeit und Überzeugungskraft die überfälligen Reformen um und opferte dafür sein Kanzleramt. Kanzler Schröder tat das Beste für Deutschland. Dafür gebühren ihm Respekt und Dank.
Bewundert habe ich Bundeskanzler Schröder, als er die deutsche Beteiligung am Irakkrieg absagte. Auch hier wusste er, was er tat. Schon als sein Zögern erkennbar wurde, setzten massive Interventionen der US-Regierung ein. Aber Schröder wollte verantwortbar deutsche Politik machen und hielt ein blindes Mitlaufen in einem Krieg, dessen Sinn und Nutzen nicht erkennbar war, für falsch. Mit seiner Absage zum Krieg im Irak sprach er den meisten Deutschen, insbesondere den Ostdeutschen, aus dem Herzen und hat zugleich die Souveränität Deutschlands deutlich gemacht.
Als dann in Europa Krieg im Kosovo ausbrach, sah Kanzler Schröder Deutschland gefordert. In offenen, um Verständnis werbenden Worten hat Gerhard Schröder sich an die deutsche Bevölkerung gewandt und um Unterstützen gebeten, dass deutsche Soldaten eingreifen mussten.
Deutschlands und Europas Interesse hat Schröder auch im Verhältnis zu Russland gewahrt. Ich habe im Bundeskabinett erlebt, wie bei Kanzler Schröder aus Ablehnung und Vorurteil Verständnis für Russland erwuchs und die Berücksichtigung gegenseitiger Interessen Vorrang bekam. Denn Deutschland und Europa brauchen Russland, und Russland braucht Deutschland und Europa. Das erfordert Geduld und Verständnis. Gerhard Schröder hat erlebt, dass russische Politik zuhören und sich ändern kann, wenn arrogante öffentliche Belehrungen vermieden werden. Vertrauen und die Erkenntnis gemeinsamer globaler Verantwortung sind im Verhältnis zu Russland nötig. Das ist eine bleibende Aufgabe, auch wenn mancher nur langsam ihre Notwendigkeit versteht.
Der Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder ist mit seiner Meinung, seinen klaren Worten ein weltweit gefragter Ratgeber und wird es hoffentlich noch lange bleiben.