Stolpe über Potsdam und seine Pläne für 2018

Brandenburgs Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) spricht im MAZ-Interview über seine Krebserkrankung, über Potsdam im Jahr der Oberbürgermeisterwahl und über seine Pläne für 2018. Und: Er übt Kritik an den Gegnern der Garnisonkirche.

Im Herbst wählt Potsdam einen neuen Oberbürgermeister beziehungsweise eine neue Oberbürgermeisterin. Welche Parteien kommen Ihrer Ansicht nach in die Stichwahl?

Aus heutiger Sicht die SPD und die Linke.

Die SPD wählt am 20. Januar ihren Kandidaten. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hat im MAZ-Interview das Verfahren als „nicht optimal“ kritisiert. Teilen Sie diese Auffassung?

Das hätte man auch anders machen können. Aber das Verfahren ist demokratisch.

Droht die Gefahr, dass sich die SPD durch das Duell zwischen Kämmerer Burkhard Exner und Sozialdezernent Mike Schubert selbst zerlegt?

Die Potsdamer SPD wird die Auswahl haben und ich erwarte, dass das Verfahren fair und transparent abläuft. Wahlkampf ist kein Duell auf Leben und Tod. Ich gehe davon aus, dass nach der Kandidatenaufstellung alle SPD-Mitglieder den von der Mehrheit Gewählten unterstützen.

Wer wäre in Ihren Augen der stärkere Kandidat – Exner oder Schubert – , um bei der Wahl für die SPD die meisten Stimmen zu holen?

Burkhard Exner und Mike Schubert wären beide gute Oberbürgermeister. Wer die Wählerinnen und Wähler mehr überzeugt, ist schwer einzuschätzen.

Wäre es nicht klug gewesen von Herrn Jakobs, einen Nachfolger aufzubauen, so dass ein reibungsloserer Übergang möglich ist?

Es gibt mehrere Kandidaten aus dem Rathaus. Ich habe Verständnis für den Oberbürgermeister, dass er sich öffentlich nicht für einen Bewerber entscheidet. Er muss schließlich noch einige Monaten mit beiden arbeiten.

Hätte Herr Jakobs nicht doch noch einmal den Hut in den Ring werfen sollen, anstatt sich in den Ruhestand zurückzuziehen?

Jann Jakobs steht im Zenit seiner Leistungen als Oberbürgermeister. Es ist klug, jetzt die Nachfolge zu ermöglichen. Der künftige Oberbürgermeister kann Verantwortung für eine blühende Stadt übernehmen und leicht eigene Akzente setzen. Früher oder später wären Fragen an Oberbürgermeister Jakobs gestellt worden. Das ist der Lauf der Dinge. Leitungsämter sind befristet. Es ist klug für den Inhaber und die Partei, das nicht zu vergessen.

Bedauern Sie es, dass sich Klara Geywitz nach ihrem Rückzug als Generalsekretärin nicht um die Kandidatur beworben hat?

Klara Geywitz ist eine große politische Begabung, ein kluger Mensch und jung. Sie hat drei kleine Kinder und wird sich zunächst mal der Familie widmen. Außerdem hat sie im Landtag genug zu tun. Sie hat vermutlich noch eine große Zukunft. Jetzt gibt es in Potsdam gute Kandidaten. Ich finde ihre Zurückhaltung richtig.

Am Rande des Gottesdienstes zum Baustart für den Turm der Garnisonkirche kam es Ende Oktober zu lautstarken Protesten. Hätten Sie damit in dieser Form gerechnet?

Ich habe es befürchtet. Die Störung des Gottesdienstes war entlarvend für die Geisteshaltung der Gegner. Bestürzt war ich, dass auch Christen sich an den Krawallen beteiligten.

Einer der Kritikpunkte der Gegner ist, dass das Rechenzentrum womöglich dem Garnisonkirchenschiff weichen muss. Könnten Sie sich vorstellen, dass auf den Abriss verzichtet wird?

Die Mieter des Rechenzentrums müssen ernst genommen werden. Wenn wirklich der zweite Bauabschnitt durchfinanziert und genehmigt ist, muss gemeinsam ein Ausweichquartier gesucht werden. Da gibt es gute Möglichkeiten in der Innenstadt wie zum Beispiel der Lange Stall.

Die Garnisonkirchenstiftung propagiert den Versöhnungsgedanken. Bislang fehlt aber jeder Ansatz des längst versprochenen Versöhnungszentrums. Viele sagen, dass das ein zentrales Versäumnis des Projekts ist.

Der Friedens- und Versöhnungsauftrag ist festgeschrieben. Auch Toleranz und Fremdenfreundlichkeit gehören dazu. Das hat das Kuratorium rund um Alt-Bischof Wolfgang Huber mehrfach geäußert. Alle Gleichgesinnten sind eingeladen mitzugestalten.

Kritiker wie die Martin-Niemöller-Stiftung werfen dem Wiederaufbauprojekt unlauteren Umgang mit der Geschichte und Verharmlosung vor.

Die Martin-Niemöller-Stiftung wird ihrem Namensgeber untreu. Ich habe Martin Niemöller gut gekannt. Er hat nie einen Dialog verweigert. Der Kirchenexperte Andreas Kitschke hat die Niemöller-Stiftung geradezu angebettelt, mit ihm über den Hitler-Auftritt in der ehemaligen Garnisonkirche und die Propaganda von Goebbels zu reden. Ich bitte alle Gegner des Wiederaufbaus des Turms, nicht nur öffentliche Erklärungen abzugeben, sondern die Gesprächsangebote anzunehmen.

Eines der großen innenpolitischen Themen war 2017 die Kreisgebietsreform. Hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mit seiner Absage der Reform den richtigen Schritt getan?

Das war eine kluge Entscheidung. Nun kommt es darauf an, welche freiwilligen Schritte von den Gegnern der Reform getan werden. Ein Weiterwursteln schadet dem Land und den Bürgern.

Sie waren stets sehr offen, was Ihre Krebserkrankung angeht. Wie fühlen Sie sich derzeit und woher nehmen Sie Ihre immense Kraft im Umgang mit der Krankheit?

Auch ich werde alt. Der Krebs gibt zur Zeit Ruhe, aber ich leide unter den Nebenwirkungen wie zum Beispiel einer starken Beeinträchtigung der Stimme. So muss ich mich schriftlich äußern. Ich habe noch nie so viel geschrieben wie zur Zeit. Ich konzentriere mich nicht auf meine Leiden, sondern versuche, das Nötige zu tun.

Was sind Ihre Pläne für 2018?

Die jahrzehntelang vernachlässigte Familie ist mir wichtig. Jubiläen stehen an. Ein Treffen mit dem bayrischen Teil der Familie wird vorbereitet. Meine Ehrenämter von der Stiftung für Völkerverständigung und der Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit will ich weiter wahrnehmen. Und der SPD und dem Domkapitel in Brandenburg will ich treu bleiben.

Was wünschen Sie Potsdam für 2018?

Ich wünsche, dass sich Potsdam weiter gut entwickelt und dass es gelingt, in Potsdam als Ursprungsort der Toleranz – das Edikt des Großen Kurfürsten von 1685 – zwischen Alteinwohnern und Zugezogenen und zwischen Landeshauptstadt und den Weiten des Landes Brandenburg mehr Rücksichtnahme zu erreichen.

Von Ildiko Röd (Märkische Allgemeine)