Danksagung zur Verleihung des Europäischen Kulturpreises für Aussöhnung mit Nachbarn im Osten
Ich danke der Europäischen Kulturstiftung und ihrem Ehrenpräsidenten Prof. Ernst Seidel sowie dem Präsidenten Tilo Braune!
Sie erweisen mir eine große Ehre. Ich nehme den Preis stellvertretend für viele andere in Deutschland, die eine besondere Sensibilität gegenüber unseren östlichen Nachbarn haben und um unsere Bringepflicht wissen nach den früheren deutschen Verbrechen, Vertrauen zu schaffen und zu erhalten.
Ich danke den vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern in der Evangelischen Kirche, in der brandenburgischen und der Bundespolitik, in Vereinen und Organisationen, die mit mir für Verständigung mit unseren östlichen Nachbarn eintreten.
Ich danke Helmut Schmidt für seine freundschaftlichen Worte.
Hier sprach der große Europäer, der im Westen Vertrauen zu Deutschland aufgebaut hat und immer auch den Osten des Kontinents im Auge behielt.
Als Mitunterzeichner der Schlussakte von Helsinki 1975 für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat Bundeskanzler Schmidt der friedlichen Zusammenarbeit der Staaten Vorrang verschafft und der Beachtung der Menschenrechte und humanitären Fragen den Weg geöffnet.
Die Erklärung von Helsinki war der Auftakt der Veränderungen in Osteuropa!
Für mich als Kirchenjurist und Verhandlungsbeauftragter gegenüber der DDR-Regierung war die Schlussakte von Helsinki 15 Jahre lang das wichtigste Arbeitsmaterial zur Einforderung von Religionsfreiheit, Gewissensfreiheit, Freiheit für Andersdenkende, Eintreten für Inhaftierte und Familienzusammenführungen.
Ich hatte 1981 das große Glück, gemeinsam mit Bischof Albrecht Schönherr zum ersten Mal den Bundeskanzler Schmidt zu besuchen. Es ging um Erleichterungen für die Menschen in der DDR, es ging um das Zusammenwirken der deutschen Staaten und es ging um Europa.
Kanzler Schmidt hatte große Sorgen über die Entwicklung in Polen. Dort war mit Solidarnosc eine starke Freiheits- und Demokratiebewegung entstanden und es gab die akute Gefahr eines militärischen Einschreitens des Warschauer Paktes in Polen. Auch wir Kirchenleute hatten davon erfahren und kannten Gerüchte, wonach DDR-Truppen Pommern, Schlesien und Posen besetzen sollten. Helmut Schmidt drängte uns, den DDR-Oberen auf allen Kanälen seine dringende Erwartung auf Zurückhaltung zu übermitteln.
Das haben wir aus voller Überzeugung getan und vielleicht hat es mitgeholfen, den Aufbruch zur Freiheit in Mittel-Ost-Europa nicht im Blut zu ersticken.
Für mich gab es den Nebeneffekt, dass alle meine Äußerungen, wo auch immer sie aufgefangen wurden, einen hohen Berichtsstellenwert bekamen. Denn schließlich sprach da ja Schmidts Bote. Das war bis 1989 nützlich. Danach in den Papierbergen von SED und Staatssicherheit wurde es zur Fundgrube für Sensationshascherei und Verleumdungen. Ich bleibe Helmut Schmidt dankbar, dass er später im Brandenburger Landtag für mich eintrat.
Friedensstifter hat mich der Kanzler genannt, das ist ein hohes Lob und es macht mich verlegen. Ich habe Verständigung und Versöhnung gesucht, wollte Konflikte und Zuspitzungen vermeiden, wollte Vorurteile und Missverständnisse ausräumen und habe Gemeinsamkeiten gesucht.
Es ist gelungen, Vertrauen aufzubauen und in gemeinsames Handeln umzusetzen. Und ich bin für zwei Projekte besonders dankbar:
Es gelang uns als Evangelische Kirche in der DDR in Warschau mitzuwirken an einem Kinderkrankenhaus, das als Gedenkstätte für die im zweiten Weltkrieg in Polen umgekommenen Kinder errichtet wurde.
Wir haben auf den Seelower Höhen 1991 einen Friedenswald errichtet, dem Ort der letzten großen Kämpfe 1945, als Erinnerung an die vielen zehntausend Toten und als Mahnung zu Versöhnung und Zusammenarbeit. Jugendliche aus Deutschland, Polen, Russland, Weißrussland und der Ukraine pflegen den Wald. Das Land Brandenburg, der Landkreis Märkisch-Oderland und die Botschafter Russlands, Polens, der Ukraine und Weißrusslands unterstützen den Gedenkort.
Noch einiges liegt mir am Herzen. Auch hier nenne ich nur zwei Beispiele.
Das internationale Begegnungszentrum Minsk, das den Namen Johannes Rau trägt, hat sich zu einem wichtigen Ort europäischen Dialogs aber auch der Meinungsfreiheit für Belaruss entwickelt und braucht mehr Aufmerksamkeit.
Das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt hat mit dem Tschaikowsky-Konservatorium Moskau eine Kooperation vereinbart und wird im März gemeinsame Auftritte in Polen und Deutschland haben. Am 5. März in der Brandenburgischen Landesvertretung in Berlin, wozu ich Sie alle herzlich einlade. Diese russisch-deutsch-polnische Kooperation braucht noch Unterstützer.
Für den Europäer Helmut Schmidt ging es immer auch um die deutsche Frage. Nach seiner neu gewonnenen Freiheit 1982 hat er uns mehrfach in der DDR besucht.
Und Loki war immer dabei, einfühlsam, warmherzig, hilfreich und praktisch. Sie gewann die Herzen und bleibt unvergessen.
Ein Höhepunkt dieser Besuchsreisen war Altkanzler Schmidts Rede am 25. Oktober 1986 in der überfüllten Nikolaikirche Potsdam, wo er das Ziel eines gemeinsamen Daches für die Deutschen ausrief.
Sehr viele Menschen in der DDR haben Helmut Schmidt bewundert und geliebt. Er machte Mut zum aufrechten Gang und letztlich zum gewaltfreien Sturz der Diktatur. Noch Anfang November 1989 hat Helmut Schmidt in Meißen und Ostberlin zu gewaltfreier Veränderung unter Beachtung der europäischen Koordinaten aufgefordert.
Als ich dann 1990 in Brandenburg Ministerpräsident wurde, besuchte uns Helmut Schmidt im Brandenburger Kabinett, informierte sich und beriet uns. Gut in Erinnerung ist der Disput mit Regine Hildebrandt.
Ich selbst habe zwei Mal dringend seinen Rat eingeholt.
Als uns 1997 Landunter an der Oder drohte erinnerte ich mich an das heute vor 50 Jahren in Hamburg aufgetretene Hochwasser, das der damalige Innensenator Schmidt zu bekämpfen hatte. Ich traf mich gleich zu Beginn der Katastrophe mit Helmut Schmidt, und er riet mir, sofort und ohne Kompetenzstreit und ohne Benutzung aller Dienstleitern, die Bundeswehr direkt um Hilfe zu bitten. Das habe ich getan, und durch die massive Unterstützung der Bundeswehr sowie die hohe Einsatzbereitschaft aller örtlichen Kräfte konnte das Oderbruch gerettet werden.
Ein zweites Mal bat ich den Altkanzler um Rat. Es ging um die Fusion von Brandenburg und Berlin. Helmut Schmidt prophezeite, dass die Abstimmung an den Brandenburgern scheitern würde, denn die fürchteten, von der Großstadt erdrückt zu werden. Bei Schleswig-Holstein und Hamburg sei das auch so. Aber wir sollten unverzüglich alles tun, um eine optimale Kooperation der beiden Länder institutionell zu sichern. So ist es dann gekommen.
Verehrter Kanzler Schmidt, ich bin beschämt und dankbar für Ihre väterliche Freundschaft. Ich werde mich weiter in Ihrem Sinne um europäische Vernunft und ein mitfühlendes Herz mit den östlichen Nachbarn bemühen. Und ich habe die Hoffnung, dass wir noch lange europäische Orientierungshilfe von Ihnen bekommen.