Grußwort anlässlich des 70. Geburtstages von Friedrich Wilhelm Pape
Verehrte Frau Pape, lieber Bruder Pape,
meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder!
Was hat uns im Zentralvorstand des Oberlinhauses 1983 bewogen, Friedrich Wilhelm Pape zum Direktor zu wählen? Pfarrer Eckhardt Beyer hatte große Schuhe hinterlassen. Wer konnte ihm nachfolgen? Leider kann ich unseren damaligen Vorsitzenden Friedrich Wilhelm Viebeg nicht mehr fragen.
War es der gemeinsame Vorname Friedrich Wilhelm? Waren es Papes 7 Jahre als Diakoniepfarrer in Magdeburg? Waren es seine 10 Jahre Pfarramt im Weinort Schlieben? War es seine liebenswürdige Frau Erika?
Jedenfalls war es eine richtige Entscheidung!
Friedrich Wilhelm Pape brachte gute Voraussetzungen mit: Er musste sich in Notzeiten, Flucht und Vertreibung in einer großen Familie behaupten. In vorherigen Tätigkeiten – einschließlich seiner Bausoldatenzeit – sammelte er vielseitige Lebenserfahrungen und verstand es, seine Glaubensüberzeugung in Alltagsherausforderungen zu leben.
Eine unbeirrbare geistliche Substanz und ein gutes Maß Weltklugheit bestimmen sein Handeln. Friedrich Wilhelm Pape hat gelernt, dass Gott eine Last auferlegt, aber auch hilft! So war er denn auch nicht furchtsam, als ihn das Oberlinhaus ab 1984 zum Chef machte. Er wusste um die schwere Aufgabe und verglich damals seinen bisherigen Dienst mit einem Sportbootführer, der nun Kapitän eines großen Tankers wurde. Ich glaube, dass ihn weniger die Schifffahrt, sondern mehr seine Zeit in der Weinbaustadt Schlieben prägte.
Pastor Pape nahm den Dienst in dem großen Weinstock Oberlinhaus an, als Prediger, der diese Kirche liebte und als Seelsorger, der Menschen zuhört und Treue hält. Diese Haltung prägte gemeinsam mit den Diakonissen die geistliche Mitte des Oberlinhauses. Aber zugleich musste er eine große Einrichtung führen, die vielen Menschen helfen sollte – und in der zahlreiche Mitarbeiter Halt und Orientierung brauchten.
Pastor Pape schaffte diesen Spagat: Er war ein guter Pfarrer und ein tüchtiger Manager. Ein Glücksfall für das Oberlinhaus und die anvertrauten Menschen.
22 Jahre lang – Jahre, die doppelt zählten: Denn der Mann mit dem Vornamen des Soldatenkönigs hatte für das Oberlinhaus drei Kriege zu führen: Das waren die Jahre der Auseinandersetzung mit einem kirchenfeindlichen System. Religion galt als unwissenschaftlich und falsch, Kirche und Diakonie zugleich als Agenten des westlichen Klassenfeindes und mussten bekämpft, zumindest behindert werden. Diakonie leistete zwar nützliche soziale Arbeit, war aber der gefährlichste Teil kirchlichen Dienstes. Denn dort wurde handfest tagaus, tagein für viele Menschen die christliche Botschaft erfahrbar. Erst allmählich, auch infolge der europäischen Entspannungspolitik entkrampfte sich das Verhältnis zum Staat DDR, wurde auch die Arbeit der Diakonie nicht mehr grundsätzlich infrage gestellt. Am Oberlinhaus wurden den damaligen Machthabern die sozialpolitische Unverzichtbarkeit diakonischer Arbeit und deren christliche Glaubenszuversicht verdeutlicht. Die Ideologen resignierten. Die sozialistische DDR ging zu Ende.
Friedrich Wilhelm Papes zweiter Kampf für das Oberlinhaus fand in der Friedlichen Revolution 1989/90 statt. Pape und das Oberlinhaus blieben wahrhaftig, berechenbar, ein Fels in der Brandung, halfen Zuspitzungen zu vermeiden, forderten Gewaltlosigkeit nach allen Seiten und halfen Verfolgten. Hier im Mutterhaus fanden kirchliche Beratungen über den weiteren Weg in der Gesellschaft statt. Unter der Gastfreundschaft von Oberin Huberta Müller und den Schwestern. Hier startete Helmut Schmidt seine DDR-Reisen, in denen er sehr vielen Menschen Mut zum aufrechten Gang und Hoffnung auf eine gemeinsame deutsche Zukunft vermittelte.
Schließlich nahm am 9. November 1989 das Volk der DDR sein Selbstbestimmungsrecht in die Hand, stürmte die Mauer und entmachtete die Diktatur. Auch der Sowjetunion waren die Beruhigung der Lage und die Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit mit dem Westen wichtiger als eine gewaltsame Aufrechterhaltung der DDR. In freier Wahl entschieden sich die DDR-Bürger für die Wiedervereinigung Deutschlands. Es kam der Sturzflug in die deutsche Einheit.
Und für Friedrich Wilhelm Pape begann sein dritter Kampf für das Oberlinhaus. Er blieb dem Oberlinhaus treu, ging nicht in die Politik, wurde nicht Oberbürgermeister in Potsdam oder Ministerpräsident in Brandenburg. Sondern führte dieses Haus durch grundlegende Veränderungen mit völlig neuen gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Manches war nicht mehr möglich – wie die Poliklinik.
Vieles musste neu angepackt werden: das Taubblindenheim, die Physiotherapie in der Tagesklinik, die Neuroorthopädie wurden gebaut. Für einen neuen Klinikbau konnte der Grundstein gelegt werden. Die Mitarbeiterzahl verdreifachte sich. Und es blieb wichtig, die geistliche Dimension kirchlich-diakonischer Arbeit erkennbar zu erhalten. Die Verantwortlichkeiten im Oberlinhaus mussten neu strukturiert werden.
Lieber Bruder Pape, unser Land kam von der Alleinherrschaft zur Demokratie – auch in der Diakonie. Anscheinend fiel Ihnen das nicht schwer?
Das Oberlinhaus ist heute ein starker, geachteter Partner im öffentlichen Gesundheitswesen und in der Bildungspolitik. Vor allem aber hat es wie eh und je eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung: Ein kirchliches Haus, das für alle offen steht und hervorragende fachliche Arbeit leistet!
Verehrter Herr Pastor Pape, Sie haben das Oberlinhaus gerettet und in neue Zeiten geführt. Sie haben Großes geleistet. Dafür danke ich Ihnen aus ganzem Herzen und im Namen vieler Menschen.
Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem 70. Geburtstag! Auch im Auftrag von Helmut Schmidt, der Sie um Ihre Jugend beneidet! Gott behüte Sie und Ihre Frau! Bleiben Sie noch lange Jahre ein Anreger und Nothelfer für das Oberlin, Potsdam und Berlin-Brandenburg!
Oberlinhaus Potsdam am 9. Januar 2011